Eine zentrale Frage dürfte die meisten Menschen umtreiben – und zwar unabhängig von ihrer realen finanziellen Lage: Wird mir eines Tages das Geld ausgehen? Die Antwort auf diese Frage ist komplex. Von Fall zu Fall müssen Beratende die Situation ihrer Kundinnen und Kunden individuell analysieren. Welche Fragen sie mitbringen und was sie brauchen, hängt von ihren persönlichen Umständen ab. Aber nicht nur: Finanzberatung findet nicht im luftleeren Raum statt.

Neben den individuellen Umständen beeinflussen auch andere Faktoren die Beratungssituation. Dazu zählen das wirtschaftliche Umfeld, gesellschaftliche Trends, familiäre Verhältnisse und technologische Entwicklungen. Auch das Verhalten anderer Marktakteurinnen und -akteure hat Einfluss darauf, mit welcher Motivation, welchen Wünschen und welchem konkreten Bedarf Kundinnen und Kunden in die Beratung kommen.

An diesem Punkt setzt auch eine kluge Finanzberatung an. Sie hilft Ratsuchenden, die eigene Situation zu klären und den Fokus auf den individuellen Spar-, Anlage- und Vorsorgebedarf zu wahren. Nur wer die richtigen Fragen stellt, behält den Überblick und die Kontrolle über die eigenen Finanzen. Das wiederum ist der Grundstein für die Vorsorge und den Vermögensaufbau. 

Gute Finanzberatung bedeutet heutzutage mehr als nur das passende Produkt anzubieten. Darin liegen große Chancen für Beratende: Wenn sie verstehen, was ihre Kundinnen und Kunden antreibt, welche Probleme es zu lösen gilt und was sie dafür brauchen, können Beratende ihr Angebot erweitern. Gerade bei komplexen Fällen mit hohem Beratungsbedarf benötigen Kundinnen und Kunden vielleicht kein weiteres Produkt. Aller Wahrscheinlichkeit nach bringen sie schon abgeschlossene Verträge, besparte Depots oder Tagesgeldkonten mit in die Beratung. Die Fragen der Kundinnen und Kunden lauten dann: 

Können Beratende ihre bisherigen Anlageprodukte analysieren und im Sinne einer ganzheitlichen Beratung finanzielle Orientierung bieten?

Ist das auch möglich ohne weiteren Produktverkauf, wenn es das Beste für den Mandanten ist?

Eine Beratung, die auf Honoraren basiert, bietet ihren Kundinnen und Kunden einen Mehrwert. Eine rein provisionsbasierte Beratung kann in so einer Situation allerdings an ihre Grenzen stoßen. Folgende veränderte Anforderungen an das Berufsbild sollten Beratende daher berücksichtigen und ihr Geschäftsmodell daraufhin prüfen. 

Das wirtschaftliche Umfeld

Neben individuellen Faktoren bestimmt das wirtschaftliche Umfeld, wie Menschen auf finanzielle Fragen blicken. Vieles hängt davon ab, wie abgesichert sie sich in ihrem Umfeld fühlen. Die Bedürfnisse sowie die finanziellen Ressourcen der Menschen sind davon geprägt, wie sich die Gehälter allgemein entwickeln, wie die Wirtschaft läuft, ob Arbeitsplätze sicher sind, wie sich das Preisniveau entwickelt und wie hoch das Vertrauen in die Politik und in die Sozialsysteme ist.

In einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld oder bei hoher Verunsicherung kann es sein, dass Menschen, die finanziell gut aufgestellt sind, sich trotzdem Sorgen machen. Oder dass Menschen, die sich eigentlich dringend um ihre Finanzen kümmern müssten, den Kopf in den Sand stecken und Problemlagen überspielen oder diese gar nicht als „Problem“ wahrnehmen. Der Finanzberatende sollte also erkennen können, wie es um die Finanzen seines Klientel wirklich bestellt ist und sich Zeit nehmen, das herauszufinden.

Das gesellschaftliche Umfeld

Zudem verändern sich die demographischen Rahmenbedingungen und nehmen Einfluss auf die Anforderungen an Finanzberatung. So ist etwa das umlagefinanzierte deutsche Rentensystem von der Alterung der Gesellschaft betroffen. Eine Studie des Weltwirtschaftsforums (2024) hat ergeben, dass sich in Europa nur 45 Prozent der Befragten finanziell gut für ihren Ruhestand abgesichert fühlen. Aktuelle Zahlen, die der Online-Ratgeber Finanztip erhoben hat, zeigen eine ähnliche Entwicklung für Deutschland: Rund 64 Prozent der Frauen fürchten, dass sie im Alter nicht ausreichend abgesichert sind, bei den Männern fürchtet das mit 48 Prozent auch fast jeder zweite.

Einer der Gründe: Die steigende Lebenserwartung. Mehr ältere und sehr alte Menschen müssen also länger mit ihren Rentenbezügen und ihrem Vermögen auskommen. Diese Lage verändert den Ausblick auf den letzten großen Lebensabschnitt und muss Teil der Finanzberatung zur Altersvorsorge sein. Hier geht es nicht nur darum, den Vermögensaufbau für einen längeren Zeitraum zu planen, sondern auch um den Vermögensverbrauch, Ausgaben für langfristige Krankheit und Pflege sowie Übergabe des Vermögens, Vollmachten und Testamente.

Die Präferenzen der jüngeren Generationen

Laut dem Weltwirtschaftsforum beschäftigen sich junge Menschen weltweit immer früher mit ihren Finanzen, wenn auch abhängig von ihrem sozio-ökonomischen Hintergrund. Zudem sind Jüngere deutlich skeptischer eingestellt gegenüber klassischen Finanzinstituten. Wenden sie sich an eine Finanzberatung, bevorzugen sie Angebote, bei denen es auch um Themen wie den richtigen Umgang mit Geld und nachhaltige Geldanlagen geht. Es steht also nicht der Kauf von Produkten im Vordergrund, sondern vielmehr eine ganzheitliche Beratung mit transparenter und fairer Preisgestaltung.

Junge Anleger legen Wert auf ganzheitliche Beratung

Ergebnisse der Global Retail Investor Survey. Gen Z: 81% der Privatanlegerinnen und -anleger legen Wert darauf, dass ihr Portfolio mit ihren Werten in Einklang steht. 84% der Privatanlegerinnen und -anleger legen Wert auf niedrige Gebühren. Millennials: 80% der Privatanlegerinnen und -anleger legen Wert darauf, dass ihr Portfolio mit ihren Werten in Einklang steht. 88% der Privatanlegerinnen und -anleger legen Wert auf niedrige Gebühren.

Quelle: Weltwirtschaftsforum White Paper: The Future of Financial Advice. July 2024, Seite 17 

Ganzheitliche individuelle Beratung und niedrige Gebühren sind für die jüngeren Generationen Z und Millenials weltweit wichtig

  • Gen Z: Geburtenjahrgänge 1997-2012

  • Millenials: Geburtenjahrgänge 1981-1996

Junge Leute haben in der Regel nicht viel Geld, aber dafür noch viel Zeit und sie sind internet- und digitalaffin. Die Kundengruppe dürfte die Fülle der Informationsangebote zum Anlass nehmen, seltener den Weg zum Beratenden einzuschlagen. Für sie ist es einfacher und günstiger, zunächst im Internet zu recherchieren und schließlich mithilfe von Apps selbst zu investieren und zu sparen.

Klassische Vertriebswege, wie Banken oder Makler ergeben mit Blick auf Informationsgewinn, Kosten und Rendite wenig Sinn für Jüngere. Ein Vergleich verdeutlicht dies: Während zehn der größten Banken weltweit zusammen in den Sozialen Medien eine Follower-Anzahl von 10 Millionen haben, haben zehn der wichtigsten Finanz-Influencer zusammen 64 Millionen Follower.

Junge Menschen orientieren sich eher an Finfluencern als an Finanzinstitutionen

 

10 Millionen: Follower der zehn größten Finanzinstitute weltweit. 64 Millionen: Follower der zehn reichweitenstärksten Finfluencer.

Quelle: Weltwirtschaftsforum White Paper: The Future of Financial Advice. July 2024, Seite 28

Transparente Preisbildung

Heutzutage es ist immer einfacher, an finanzielle Grundbildung zu gelangen. Ein wachsender Teil der Bevölkerung beschäftigt sich damit und baut so ein Grundwissen auf über finanzwirtschaftliche Zusammenhänge und Konzepte zur finanziellen Vorsorge. Erklär-Content, Beratungsangebote, Produktvergleiche, Ratgeberbeiträge, Rendite-, Renten-, und Rentenlücken-Rechner – all das steht im deutschsprachigen Raum in guter Qualität entweder kostenfrei oder zu geringen Preisen online sowie in Zeitungen und Magazinen zur Verfügung. Auch die Bundesregierung hat es sich mit der Initiative Finanzielle Bildung seit einigen Jahren zur Aufgabe gemacht, den Stand der Finanzbildung in Deutschland zu verbessern. Finanzwissen soll Teil der Allgemeinbildung werden, welches Menschen befähigt, selbstständig informierte Entscheidungen in Sachen Finanzen zu treffen.

Merkblatt der Finanzaufsicht BaFin zur Anlageberatung 

Die Finanzaufsicht BaFin unterscheidet zwischen Informationen und Beratung. Das betrifft vor allem sogenannte Finfluencer, die keine Beratenden sind. Dazu gibt es seit Februar 2025 ein überarbeitetes Merkblatt zur Anlageberatung. Es enthält redaktionelle Aktualisierungen und zusätzliche Informationen zur aufsichtsrechtlichen Einordnung von Anlageempfehlungen durch Finfluencer. Relevant sind die Informationen auch für Beratende, die in den Sozialen Medien aktiv sind.

Viele frei verfügbare Informationen und Angebote können aber auch zu einem Dschungel werden, in dem Klienten sich nicht mehr zurechtfinden. Für diesen Fall erhalten sie auf einigen Wissensportalen den Rat, sich unabhängig beraten zu lassen, also eine Beratung auf Honorarbasis in Anspruch zu nehmen. Das führt dazu, dass Klienten stärker prüfen, ob sie ihrem Beratenden vertrauen können. Sie hinterfragen Preismodelle: Je transparenter, desto vertrauenswürdiger.

Kritik am Provisionsmodell / Die Rolle von Verbraucherschützern

Online-Ratgeber sowie die Berichterstattung zu Wirtschaft und Finanzen vieler großer Medienhäuser fördern und stärken diese Entwicklung. Das hat zur Folge, dass der Ruf der provisions- und kommissionsbasierten Beratung tendenziell schlechter wird. Verbraucherschützer und Finanzplattformen warnen regelrecht vor der provisionsbasierten Beratung.

Die Begründung für die Kritik: Durch die Provisionen können die Kosten der Produkte zu hoch und die garantierten Erträge zu niedrig sein. Diese Mischung kann die Rendite der Produkte in einem Ausmaß schmälern, dass sie sich für die Klienten kaum noch lohnen und nicht mehr zur Altersvorsorge, oder zum Vermögensaufbau taugen kann.

Zudem hat eine Provisionsberatung einen inhärenten Interessenskonflikt: Dem eigenen wirtschaftlichem Interesse dient es am meisten, wenn Beratende ein Produkt verkaufen, dass die höchste Provision bringt. Solche Produkte kommen Kundinnen und Kunden unter Umständen aber teuer zu stehen und entsprechen vielleicht nicht einmal ihren Bedürfnissen.

Die Provision kann in der Beratung falsche Anreize setzen. Zudem macht das System nötig, immer wieder neue Produkte zu vertreiben – auch wenn Kundinnen und Kunden vielleicht mit bestehenden oder ganz ohne Verträge besser dastehen würden. 

In der Kommission der Europäischen Union (EU) ist ein Kommissionsverbot 2023 vorerst gescheitert. Allerdings hat die damals zuständige EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness den Gesetzentwurf so gestaltet, dass er eine Revisionsklausel enthält. Ein vollständiges Provisionsverbot ist also weiterhin möglich – „falls es nötig sein sollte“, so formulierte McGuinness es als implizite Warnung an die Finanzbranche.

Neue Beratungskonzepte sind flexibel nutzbar und kosteneffizient

Selbst wenn die Politik nicht regulatorisch eingreift, bieten neue Beratungskonzepte viele Chancen und Vorteile. Eine Analyse des Weltwirtschaftsforums aus dem Jahr 2024 zeigt: Der Trend zeigt dabei in Richtung digitaler Tools, wie etwa kostengünstige Robo-Advisor oder digitale Vermögensverwaltungen – in Kombination mit individueller Beratung auf Honorarbasis, zu Festpreisen oder Paketpreismodellen. 

Im Laufe eines Lebens kann sich ein gemischtes Beratungsmodell anpassen; an verschiedene Lebensabschnitte, finanzielle Situationen und wechselnde Präferenzen. So nutzen Kundinnen und Kunden für den Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung einen Provisionstarif. Zu besonderen Ereignissen wie einer Erbschaft, dem Kauf einer Immobilie oder dem anstehenden Renteneintritt greifen sie auf einen Honorartarif zurück, da sie vor allem eine Analyse und Orientierung benötigen. Das alltägliche Anlage- und Finanzgeschäft betreuen sie selbst mithilfe digitaler Tools und Rechner.

Noch dominieren klassische Beratungsmodelle, aber der Trend zeigt in eine andere Richtung 

Die Größe des Kreises zeigt die Verbreitung des jeweiligen Modells an. Die Grafik zeigt mehrere unterschiedlich große Kreise, die verschiedene Beratungsmodelle darstellen. Hinweis: Nur zur Veranschaulichung. Neue Beratungsmodelle können über den hier abgebildeten Rahmen hinausgehen. Die Größe des Kreises zeigt die Verbreitung des jeweiligen Modells an.

Quelle: Weltwirtschaftsforum White Paper: The Future of Financial Advice. July 2024, Seite 24

Zusammenfassung

Finanzberatung findet nicht im luftleeren Raum statt: Was die Kundinnen und Kunden erwarten und benötigen hängt von ihrer realen finanziellen Lage ab und auch davon, wie sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Umstände entwickeln. Finanzielles Grundwissen ist heute kostenfrei und in guter Qualität verfügbar, digitale Tools erleichtern es die eigenen Finanzen kosteneffizient zu verwalten. Der Beratungsbedarf wird insgesamt aber trotzdem komplexer: Die deutsche Gesellschaft altert.

Die Altersvorsorge wird daher künftig die Fragen nach finanzieller Vorsorge in einer langlebigen Gesellschaft mit einem schwächeren gesetzlichen Rentensystem beantworten müssen. Eine zentrale Frage dürfte alle beschäftigen: “Wird mir eines Tages das Geld ausgehen?” – und zwar unabhängig davon, wie die Person finanziell wirklich dasteht. Das erfordert eine flexible Beratung, die individuelle Situationen analysiert und Lösungen dafür anbietet – auch ohne Produktvertrieb. Kundinnen und Kunden legen Wert auf transparente Preismodelle und die Europäische Union hat das Provisionsmodell im Blick.

Finanzberatung bleibt essenziell, künftig wird aber die ganzheitliche Beratung an Relevanz gewinnen. In einem komplexen Umfeld kann die Provisionsberatung daher insgesamt an ihre Grenzen stoßen. Beratenden bietet das die Chance, ihr Geschäftsmodell zu erweitern.

Auf einen Blick

  • Die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden orientieren sich an wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, das verändert die Anforderungen an die Finanzberatung

  • Kostenfreie Informationsangebote und digitale Tools sind gerade für Jüngere eine gute Alternative zur klassischen Finanzberatung

  • Finanzberatung bleibt wichtig, muss aber ganzheitlich sein und transparent in der Vergütungsstruktur 

  • Flexible Beratungsmodelle bergen Vorteile für Beratende: Sie können ihr Geschäftsmodell erweitern und Kundinnen und Kunden kosteneffiziente Dienstleistungen für die jeweilige Lebenssituation anbieten 

     

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