Einführung in den ETF-Handel

Der ETF-Markt besteht eigentlich aus zwei Märkten – dem Primärmarkt, an dem ETF-Anteile geschaffen und zurückgenommen werden, und dem Sekundärmarkt, an dem Anleger ETF-Anteile an einer Börse oder ausserbörslich über einen Market Maker oder einen Trading Desk handeln können.

Die wichtigsten Marktteilnehmer

Primärmarkt

Die ETF-Anbieter verwalten den ETF und das Wertpapierportfolio des Fonds.

Autorisierte Teilnehmer (Authorised Participants, APs) können in direkten Transaktionen mit dem ETF-Anbieter grosse Blöcke von ETF-Anteilen schaffen oder zurücknehmen.(APs)

Sekundärmarkt

Market Maker und Liquiditätsanbieter sorgen während der Handelszeiten für Liquidität im Börsenhandel. Sie veröffentlichen Kauf- und Verkaufspreise für diverse ETFs und konkurrieren dadurch um Orders.

ETF Trading Desks können jenseits des durchschnittlichen täglichen Handelsvolumens und der angezeigten Börsenliquidität nach zusätzlichen Liquiditätsquellen suchen und so die Abwicklung grosser Transaktionen erleichtern.

Anleger kaufen und verkaufen ETF-Anteile zu Marktpreisen an der Börse.

ETF-Liquiditätsquellen

Häufig gilt das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen (Average Daily Volume, ADV) als bester Indikator für die Liquidität eines ETF. 

Die Realität ist jedoch komplexer, denn nur ein geringer Teil der ETF-Liquidität geht auf den Börsenhandel zurück. Besonders wichtig für die Liquidität eines ETF ist vielmehr die Liquidität seiner Basiswerte. Zu den wichtigsten Liquiditätsquellen gehören die Börsenliquidität, die Liquidität im ausserbörslichen Handel (Over the Counter) und die Liquidität der Basiswerte:

Quelle: Vanguard

Börsenliquidität

Die sichtbarste Liquiditätsquelle für ETFs ist der Börsenhandel am Sekundärmarkt. Das ADV ist ein Indikator für die Liquidität im Sekundärhandel, jedoch nicht für die ETF-Liquidität insgesamt.

Nicht alle Liquiditätsquellen am Sekundärmarkt sind für Anleger klar erkennbar. Die meisten Anleger sehen wahrscheinlich nur die Informationen, die sie auf öffentlichen Websites finden, also den höchsten Geld- und den niedrigsten Briefkurs eines ETF. Das Orderbuch bleibt ihnen verschlossen, stellt jedoch eine weitere Liquiditätsquelle dar, denn auch zu den Preisen im Orderbuch können ETF-Anteile gehandelt werden.

Auch aus anderen Gründen kann die tatsächliche Liquidität eines ETF für Anleger undurchsichtig sein. In Europa werden viele ETFs an mehr als einer Börse gehandelt. Am Bildschirm sehen Anleger also vielleicht das Handelsvolumen eines bestimmten ETF an der Londoner Börse, das Volumen an anderen Börsen wie Euronext oder der SIX Swiss Exchange bleibt ihnen jedoch verborgen.

Over-the-Counter-Liquidität

ETF-Anteile werden auch ausserbörslich gehandelt (over the counter, OTC). OTC-Transaktionen werden im Handelsvolumen der Börsen nicht immer erfasst, sind jedoch für die Liquidität von ETFs von grosser Bedeutung. Für die meisten ETFs gibt es mehrere Market Maker, die ETF-Orders gegebenenfalls aus ihren Beständen füllen können.

Liquidität der Basiswerte

Die offene Struktur von ETFs ist für ihre Liquidität ebenfalls von grosser Bedeutung. Aktien sind in ihrer Anzahl begrenzt, ETFs hingegen können je nach Anlegernachfrage neue ETF-Anteile schaffen oder bestehende Anteile zurücknehmen. Durch diesen einzigartigen Prozess können ETFs die Liquidität ihrer Basiswerte nutzen. Anleger können deshalb Volumen handeln, die das ADV des Fonds deutlich übersteigen und sich trotzdem nicht wesentlich auf den Preis der Fondsanteile auswirken.

Order-Arten

Anleger können ETFs genau so handeln wie Aktien, daher sind auch die gängigsten Order-Arten dieselben:

Market Order

Sofortige Order-Ausführung zum besten aktuell verfügbaren Kurs: Mit einer Market Order wollen Anleger eine Transaktion möglichst schnell ausführen, der Preis ist sekundär.

Stop Order

Automatische Order-Ausführung zu einem vorher festgelegten Mindest- oder Höchstkurs: Sobald der Marktpreis den festgelegten Kurs erreicht hat, wird aus der Stop Order eine Market Order, die zum dann besten verfügbaren Kurs ausgeführt wird. Allerdings kann dieser Preis unmittelbar nach Auslösung der Market Order noch steigen oder fallen. Mit einer Stop Order wollen Anleger in der Regel Verluste begrenzen oder Gewinne absichern.

Limit order

Order-Ausführung zu einem vorab festgelegten oder besseren Preis: Mit einer Limit Order können Anleger verhindern, dass ihre Order zu ungünstigen Konditionen ausgeführt wird. Bei Limit Orders geht es nicht um Geschwindigkeit, sondern um Preissicherheit.

Stop-limit order

Eine Kombination von Stop-Preis und Limit-Preis: Sobald der Marktpreis den festgelegten Kurs erreicht hat, wird aus der Stop Order eine Limit Order mit der vorab festgelegten Preisgrenze. Mit einer Stop-Limit Order wollen Anleger in der Regel Verluste begrenzen oder Gewinne absichern und gleichzeitig die Unwägbarkeiten einer Market Order vermeiden.

Ein ETF Trading Desk kann helfen

ETF Trading Desks sind mit anderen Marktteilnehmern vernetzt und können die Order-Ausführung auch anderweitig erleichtern. Sofern Anleger Zugang zu einem Trading Desk haben, können sie diesen zur Abwicklung grösserer Transaktionen nutzen, unter anderem zur:

  • Prüfung des Angebots- bzw. Nachfragevolumens am Markt vor Platzierung einer Order; Anleger sehen unter Umständen nur, wie viele ETF-Anteile zum besten Geld- oder Briefkurs „am Bildschirm“ verfügbar sind, ein ETF Trading Desk kann dagegen nach zusätzlichen Liquiditätsquellen suchen.
  • Schrittweisen Order-Abwicklung zur Steuerung von Preisauswirkungen.
  • Schaffung und Rücknahme von ETF-Anteilen über den ETF-Anbieter (sofern es sich bei dem Broker um einen autorisierten Marktteilnehmer handelt).
  • Einholung eines Preisangebots zur Ausführung der vollständigen Order

Wenn Sie sich über die Liquidität eines ETF informieren möchten, lohnt sich zunächst ein Gespräch mit einem Vanguard Vertreter, der entweder in Ihrem Auftrag mit den Spezialisten unseres Capital Market Teams Rücksprache halten oder Sie direkt an das Team verweisen kann. Unser Capital Markets Team hat genauere Informationen und kann daher die Marktliquidität besser einschätzen und eine Strategie zur Ausführung einer Order vorschlagen.

Bei grösseren Volumen kann sich das Team mit Market Makern beraten, um für grösstmögliche Liquidität zu sorgen. Die Kapitalmarktspezialisten von Vanguard können einschätzen, ob ein bestimmtes Order-Volumen gross genug ist, um einen Market Maker zu beauftragen oder ob die „natürliche“ Liquidität ausreicht. Ob ein bestimmtes Order-Volumen gross ist oder nicht, hängt dabei auch von dem ETF selbst ab.

HowOrder-Platzierung

Wie Sie eine Order platzieren und ob es sich lohnt, einen Trading Desk hinzuzuziehen, hängt von zahlreichen Faktoren ab.

Nachstehend erläutern wir zwei typische Szenarien und geben einige praktische Tipps zur schnellen und sicheren Order-Abwicklung.

Szenario 1:

Sofortige Order-Ausführung

Egal ob Anleger den aktuellen Marktpreis sichern, Kursschwankungen vermeiden oder einfach nur ihre täglichen Orders ausführen und sich anderen Dingen zuwenden wollen: Um die richtige Strategie zu wählen, müssen sie in jedem Fall verstehen, wie sich das Handelsvolumen auf die Order-Ausführung auswirkt.

Bei einem ETF mit hohem ADV reicht eine einfache Limit Order, die man über eine Handelsplattform platzieren kann. Bei einem ETF mit niedrigem ADV dagegen kann ein Trading Desk die Order-Abwicklung unter Umständen erleichtern.

Ein Trading Desk steht in Kontakt mit zahlreichen Liquiditätsanbietern, die vor allem bei schwachen Handelsvolumen die Platzierung und Ausführung einer Order vereinfachen können.

Szenario 2:

Schrittweise Order-Ausführung

Wer einen ETF mit hohem ADV zum bestmöglichen Durchschnittskurs über einen bestimmten Zeitraum handeln will, sollte die Order über einen Trading Desk abwickeln.

Bei einem Fonds mit niedrigem ADV erreicht man dasselbe Ziel ebenfalls über einen Trading Desk, der eine entsprechende Order durch komplexere Order- und Ausführungsstrategien abwickeln kann, darunter:

  • TWAP (zeitgewichteter Durchschnittspreis) – der Durchschnittskurs eines Wertpapiers über einen bestimmten Zeitraum.
  • VWAP (volumengewichteter Durchschnittspreis) – der Durchschnittskurs eines Wertpapiers für ein bestimmtes Handelsvolumen.

TWAP- und VWAP-Orders gewährleisten, dass eine Order nicht zum niedrigsten oder zum höchsten Preis, sondern zum Durchschnittskurs beider Preise während eines bestimmten Zeitraums abgewickelt wird.

Vorsicht bei besonderen Umständen

In manchen Fällen kann die Abwicklung hoher Order-Volumen zu Kursschwankungen führen. In diesen Fällen kann ein ETF Trading Desk besonders hilfreich sein: Durch die Abwicklung einer Order über mehrere Broker kann ein Trading Desk Wettbewerb erzeugen und so die Handelskosten senken.

Auf- und Abschläge

Der Preis eines ETF liegt in der Regel nahe am Nettoinventarwert (NAV) seiner Basiswertpapiere.

Aufgrund verschiedener Faktoren wie Handelszeiten und Marktliquidität kann der Marktpreis eines ETF jedoch von seinem NAV abweichen.

  • Aufschläge. Liegt der Preis eines ETF über dem Nettoinventarwert seiner Basiswerte, spricht man von einem Aufschlag.
  • Abschläge. Liegt der Preis eines ETF unter dem Nettoinventarwert seiner Basiswerte, wird der Fonds dagegen mit einem Abschlag gehandelt.

Autorisierte Teilnehmer (APs) tragen dazu bei, dass der Marktpreis des ETF in etwa dem Wert seiner Basiswerte entspricht. Bei deutlichen Auf- oder Abschlägen kann ein AP neue ETF-Anteile schaffen bzw. bestehende Anteile zurücknehmen und die Preisdifferenz zu seinem Vorteil nutzen. Über diesen Prozess gleichen APs das Angebot von ETF-Anteilen an die Nachfrage an, wodurch sich auch der Marktpreis des ETF wieder dem Kurs seiner Basiswerte annähert.

Ursachen von Auf- und Abschlägen

Auf- und Abschläge sind eine natürliche Begleiterscheinung von Schwankungen zwischen Angebot und Nachfrage nach ETF-Anteilen und den Basiswerten des Fonds.

Auch zwei weitere Faktoren beeinflussen Preisdifferenzen zwischen einem ETF und seinen Basiswerten:

  • Höhere Kosten für den Kauf der Basiswerte können auch zu höheren Auf- bzw. Abschlägen führen.
  • Werden die Basiswerte und der ETF an zwei verschiedenen Börsen mit unterschiedlichen Handelszeiten gehandelt, kann es zu Abweichungen zwischen den aktuellen und den veralteten Kursen kommen, was zu vermeintlichen Auf- oder Abschlägen führt.

Bei einigen Assetklassen (z. B. bei Obligationen) sind die Auf- und Abschläge relativ gross und konstant, was vor allem an Abweichungen in der Preisfeststellung zwischen dem ETF und den Obligationen liegt.

Abbildung 1. Unterschiede in der Preisfeststellung können zu beständigen Aufschlägen bei Obligationen-ETFs führen

Quelle: Vanguard

Die Höhe des Auf- oder Abschlags hängt auch von der Nachfrage nach dem ETF im Verhältnis zur Marktentwicklung ab. Je mehr Anleger den ETF kaufen wollen, desto höher ist der Geld-Brief-Kurs und damit auch der Mittelwert dieses Kurses (Abbildung 2), was ebenfalls zu einer höheren Prämie führen kann. Umgekehrt gilt auch: Wenn mehr Anleger den ETF verkaufen wollen, kann der Aufschlag sinken und sich unter Umständen sogar in einen Abschlag verwandeln.

Source: Vanguard.

Die Betrachtung von Auf- und Abschlägen kann zugegebenermassen irreführend sein, zumal die Transaktionskosten bei ETFs transparenter sind als bei herkömmlichen Fonds. Bei grösseren Auftragsvolumen oder geringerer Liquidität können sich die Geld-Brief-Spannen der Basiswerte entsprechend der Marktlage ausweiten, was grössere Auf- und Abschlägen für Obligationen-ETFs zur Folge hat. Will der Portfoliomanager eines herkömmlichen Fonds dieselben Wertpapiere handeln, muss er dieselben Transaktionskosten zahlen wie der ETF. Bei herkömmlichen Fonds sind diese Kosten für Anleger jedoch nicht in Echtzeit erkennbar, sondern werden anschliessend in den Nettoinventarwert eingepreist. Einfach ausgedrückt: Auf- und Abschläge Obligationen-ETFs sind in erster Linie eine Folge der Externalisierung von Transaktionskosten.

Wichtig

Der Spread gegenüber den Basiswerten hat erheblichen Einfluss auf die Auf- und Abschläge, da er für die Preisspanne des ETF massgeblich ist. Je nach Assetklasse sind die Folgen unterschiedlich:

Obligationen

Staatsobligationen sind in der Regel liquide und die Geld-Brief-Spannen entsprechend klein, weshalb Staatsobligationen-ETFs meist mit geringeren Auf- und Abschlägen gehandelt werden. Unternehmensobligationen sind dagegen weniger liquide und die Geld-Brief-Spannen entsprechend grösser und volatiler, weshalb auch Corporate Bond ETFs in der Regel mit höheren Auf- und Abschlägen gehandelt werden.

Aktie

Bei Aktien mit grosser Marktkapitalisierung sind die Spreads tendenziell geringer, weshalb Large Cap ETFs mit niedrigeren Auf- und Abschlägen gehandelt werden. Bei Aktien mit kleiner Marktkapitalisierung dagegen sind die Spreads und daher auch die Auf- und Abschläge tendenziell höher.

Bewährte Praktiken im ETF-Handel

Wer sich im ETF-Handel an bewährte Abläufe hält, erhöht seine Chancen auf günstige Konditionen.

Limit Orders nutzen

Mit Limit Orders können Anleger Höchst- oder Mindestpreise für eine Transaktion festsetzen. Sie haben dadurch Kontrolle über den Preis, laufen jedoch Gefahr, dass eine Order nicht vollständig ausgeführt wird.

Market Orders können sich für hochliquide ETFs mit geringen Geld-Brief-Spannen eignen. Da diese jedoch vor allem auf Ausführung und nicht auf Preisschutz ausgelegt sind, können Orders unter Umständen auch zu ungünstigen Konditionen ausgeführt werden.

Volatilität beobachten

Anleger sollten auf Volatilität und grössere Ereignisse achten, die die Marktentwicklung beeinflussen können. In einem volatilen Markt können die Kurse der ETF-Basiswerte deutlich ausschlagen und sich so auf die Geld-/Brief-Spanne bzw. die Auf- und Abschläge von ETFs auswirken. Wegen ihrer Preisgarantie könnten sich in diesem Fall Limit Orders anbieten.

Nachrichten verfolgen

ETF-Kurse reagieren auf bestimme Veröffentlichungen wie Wirtschaftsindikatoren, Zentralbank-Meldungen oder Nachrichten und Ergebnisse von Unternehmen, in die der Fonds investiert. Anleger sollten sich daher stets über die Marktlage informieren.

Liquidität verstehen

Viele Anleger halten ETFs mit einem geringeren ADV für weniger liquide – eine Fehleinschätzung. Das ADV lässt grundsätzlich Rückschlüsse auf die Liquidität einzelner Aktien zu, denn diese sind in ihrer Anzahl begrenzt. ETF-Anteile können dagegen von einem autorisierten Marktteilnehmer geschaffen oder zurückgenommen werden, daher ist die Liquidität der Basiswerte eines ETF entscheidend. Sind diese illiquide, erhöht sich unter Umständen die Geld-Brief-Spanne des ETF.

Die Uhr im Auge behalten

Die Kursspannen von ETFs können sich zu bestimmten Tages- und Jahreszeiten ausweiten.

Bei Markteröffnung werden einige der ETF-Basiswerte unter Umständen noch nicht gehandelt, die Market Maker können den Preis des ETF dann nicht mit Sicherheit feststellen.

Zu Handelsschluss kann die Zahl der Market Maker für einen bestimmten ETF zurückgehen, da Marktteilnehmer ihre Risiken begrenzen wollen. Deshalb sind zu dieser Zeit manchmal weniger Käufer und Verkäufer am Markt als zu anderen Tageszeiten.

Wenn Überseemärkte geschlossen sind, können sich die Kursspannen derjenigen europäischen ETFs ausweiten, die in erster Linie in internationale Wertpapiere mit anderen Handelszeiten investieren. Dies trifft zum Beispiel für einen in London gehandelten japanischen Aktien-ETF zu. Bei ETFs mit internationalen Anlagestrategien sollten Anleger sich daher vorab über die Feiertage der relevanten Auslandsbörsen informieren.

ETF Trading Desks nutzen

Trading Desks können auf unterschiedlichen Wegen Liquidität für einen grossen Auftrag generieren.

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