Von Andreas Zingg, Head of Multi-Asset Solutions, Vanguard Europe
Trotz der schwachen Kursentwicklung des abgelaufenen Jahres gehören Multi-Asset-Strategien zu den Marktsegmenten mit den höchsten Wachstumsraten. Warum? Weil immer mehr Berater:innen ihre langfristigen Vorteile entdecken.
In Europa gehören Multi-Asset-Lösungen zu den Produktsegmenten mit den höchsten Wachstumsraten – aktuelle Prognosen gehen von 8% aus1. Vor allem in Italien und Deutschland ist die Nachfrage groß; hier kommen Multi-Asset-Fonds auf einen Marktanteil von 32 bzw. 28%2.
Viele Berater:innen sehen in Multi-Asset-Lösungen überzeugende Vorteile gegenüber der Komplexität und den Kosten, die mit der internen Strukturierung und Verwaltung von Kundenportfolios verbunden sind. Und immer mehr Berater:innen verlagern den Schwerpunkt ihres Leistungsangebots auf die Finanzplanung und die Intensivierung ihrer Kundenbeziehungen und überlassen Asset-Allokation und Wertpapierauswahl den Fonds- und Asset-Managern.
Auch Entwicklungen im Asset Management fördern die Nachfrage nach Multi-Asset-Lösungen, darunter das wachsende Kostenbewusstsein von Berater:innen und Anleger:innen, strengere Regulierung in Bezug auf Eignung und Transparenz sowie der wachsende Wunsch von Kundinnen und Kunden nach mehr Kontrolle über Anlagerisiken und -ergebnisse.
Europa und Großbritannien steuern auf eine Rezession zu. Multi-Asset-Strategien können in diesem Umfeld zur Risikodiversifizierung beitragen, was in volatilen Zeiten meist zu beständigeren Renditen beiträgt. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von 5% dürften Multi-Asset-Fonds in Großbritannien, Deutschland, Italien und der Schweiz weiter an Bedeutung gewinnen, ihr Anlagevermögen wird voraussichtlich von 1,3 Billionen US-Dollar im Jahr 2022 auf fast 2 Billionen Dollar im Jahr 2030 wachsen. Mit geschätzten 15% pro Jahr könnten ausgelagerte Musterportfolios sogar noch schneller wachsen und im Jahr 230 ein Volumen von 1,1 Billionen US-Dollar erreichen (Stand 2022: 360 Milliarden US-Dollar). In Europa wird die große Mehrheit (85 bis 90%) der Musterportfolios weiterhin intern verwaltet, doch immer mehr Berater:innen, insbesondere in Großbritannien, lagern die Verwaltung ihrer Portfolios aus.
USDMrd.
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2022
|
2030
|
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Multi-Asset-AuM
|
Multi-Asset-AuM (ausgelagert)
|
Summe
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Multi-Asset-AuM
|
Multi-Asset-AuM (ausgelagert)
|
Summe
|
Großbritannien
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309
|
158
|
467
|
455
|
483
|
938
|
Deutschland
|
415
|
62
|
477
|
613
|
230
|
843
|
Italien
|
423
|
63
|
486
|
625
|
202
|
827
|
Schweiz
|
172
|
78
|
250
|
254
|
192
|
446
|
Summe
|
1.319
|
361
|
1.680
|
1.948
|
1.108
|
3.056
|
Quellen: Associazione Del Resparmio Gestito, Bundesverband Deutscher Investmentgesellschaften, Investment Association, Swiss Fund Data, Boston Consulting Group, Vanguard. Angaben in USD.
Warum Anleihen immer noch wichtig sind
Das Jahr 2022 wird Anleger:innen wohl vor allem für die schwache Wertentwicklung von Anleihen in Erinnerung bleiben, die Multi-Asset-Strategien erheblich belastet hat. Die hohen Kursverluste im zweiten und dritten Quartal sind beispiellos, globale Anleihen haben seit Jahresbeginn fast 17% verloren3.
Zum Verhängnis wurde Multi-Asset-Strategien im abgelaufenen Jahr der gleichzeitige Kursrückgang an den Aktien- und Anleihemärkten, der die Diversifizierungsvorteile von Multi-Asset-Portfolios kurzfristig aufgehoben hat. Für diesen „Gleichschritt“ von Aktien und Anleihen waren in erster Linie zweistellige Inflationsraten und die aggressiven Zinserhöhungen der Zentralbanken verantwortlich. Wir rechnen jedoch damit, dass sich die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen in absehbarer Zeit normalisiert und Anleihen ein Multi-Asset-Portfolio wieder stabilisieren können.
Parallele Kursrückgänge sind häufiger, als viele denken
In der Geschichte der Finanzmärkte waren kurzfristige parallele Kursrückgänge bei Aktien und Anleihen nicht ungewöhnlich, wie die nachstehende Grafik zeigt: Seit 1995 mussten Anleger:innen im Durchschnitt jeden siebten Monat negative Nominalrenditen sowohl von Aktien als auch von Anleihen hinnehmen (13%).

Quelle: Vanguard.
Hinweise: Die Daten entsprechen den rollierenden Gesamtrenditen während der abgebildeten Zeiträume; monatliche Gesamtrenditen bei reinvestierten Dividenden und Erträgen für den Zeitraum von 1996 bis 2022. Globale Aktien werden durch den FTSE All-World Index und globale Anleihen durch den währungsgesicherten Bloomberg Aggregate Index dargestellt. Renditen in GBP.
Betrachtet man jedoch längere Zeithorizonte, werden positive Korrelationen immer seltener; zeitgleiche Kursverluste am Aktien- und Anleihemarkt über einen Zeitraum von drei Jahren findet man gar nicht, über einen Zeitraum von einem Jahr nur sehr selten. Das bedeutet: Ein diversifiziertes Portfolio aus Aktien und Anleihen ist nach wie vor ein wirksames Instrument für langfristiges Risikomanagement.
Außerdem haben sich Multi-Asset-Portfolios nach solchen Verlustphasen in der Regel schnell erholt, 60/40-Portfolios im Durchschnitt schon nach neun Monaten. (In Anbetracht der deutlichen Kursrückgänge gehen wir jedoch in diesem Fall von einer Erholungsphase von 24 bis 36 Monaten aus4).
Die strategische Asset-Allokation zählt – auch in Zukunft
Veränderungen in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und an den Märkten verlocken zu taktischen Anpassungen der eigenen Asset-Allokation. Doch kurzfristige Reaktionen können ein Portfolio schnell aus der Balance bringen, sodass es schlecht auf zukünftige Veränderungen im Marktumfeld vorbereitet ist – und am Ende statt besserer sogar schlechtere Renditen abwirft.
Studien von Vanguard haben immer wieder gezeigt, dass strategische Portfolios einer taktischen Asset-Allokation überlegen sind, insbesondere über längere Zeiträume. Sie erzielen im Durchschnitt höhere Nominalrenditen und sind weniger volatil, wie sich an der Renditeverteilung ablesen lässt.
Taktische vs. strategische Allokation: Renditestreuung über verschiedene Zeiträume

Quelle: Berechnungen von Vanguard auf Grundlage von Morningstar-Daten für den Zeitraum vom 3. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2021. Hinweise: Berechnung der Wertentwicklung auf Grundlage der Veränderung im Nettoinventarwert. Renditen in USD bei Wiederanlage der Erträge, abzüglich Kosten.
Bessere Aussichten für Multi-Asset-Strategien
Unsere Prognosen für Multi-Asset-Portfolios steigen. Auf Grundlage von Berechnungen durch das Vanguard Capital Markets Model, einem von Vanguard entwickelten Prognosemodell, haben wir unsere Schätzungen für die 10-Jahres-Renditen eines 60/40-Portfolios seit Ende letzten Jahres deutlich angehoben, von 3,5% im Dezember 2021 auf 6,6% im September 20225. Obwohl die Sorge um hohe Inflation und eine mögliche Rezession auch weiterhin für Volatilität sorgen wird, dürften Multi-Asset-Strategien letztlich von höheren Anleihezinsen (und damit höheren laufenden Erträgen) ebenso profitieren wie von niedrigeren Aktienbewertungen (die Aktien attraktiver machen).
Mit jedem unserer Multi-Asset-Fonds wollen wir Berater:innen einfache, transparente und kostengünstige Bausteine anbieten, die sie entweder individuell oder als Teil eines ausgewogenen und diversifizierten Portfolios verwenden können. Unsere strategischen Multi-Asset-Lösungen beruhen auf Anlageprinzipien, die sich seit vielen Jahren unabhängig vom Marktumfeld oder Branchentrends bewährt haben.
1 Quelle: Boston Consulting Group. Basierend auf dem geschätzten annualisierten Wachstum für den Zeitraum 2021 bis 2026. In den Zahlen ist das verwaltete Anlagevermögen von Publikumsfonds und Multi-Asset-Lösungen enthalten. Für weitere Informationen siehe „Global Asset Management 2022: From Tailwinds to Turbulence“, Mai 2022.
2 Quellen: Associazione Del Resparmio Gestito, Bundesverband Deutscher Investmentgesellschaften. Stand: Juni 2022.
3 Berechnung anhand der Gesamtrendite des Bloomberg Global Aggregate Index USD (ohne Währungsabsicherung) für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 30. November 2022. Bei der Berechnung gehen wir davon aus, dass alle Erträge aus den Anleihen reinvestiert werden. Berechnungen in USD.
4 Berechnungen von Vanguard auf Grundlage von Daten der Website von Robert Shiller für den Zeitraum von 1920 bis September 2022. Berechnung auf Grundlage historischer Renditedaten für den S&P 500 Index und US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit, basierend auf einer linearen Duration-Schätzung. Alle Renditen in US-Dollar bei Wiederanlage der Erträge. „Erholung“ ist definiert als die Zeitspanne, bis die Portfolios ihren ursprünglichen Anlagewert ($1) wieder erreichen.
5 Quelle: Berechnungen von Vanguard auf Grundlage von Daten des VCMM per 31. Dezember 2021 und 30. September 2022. Die Berechnungen bilden die geschätzten 10-Jahres-Renditen für ein 60/40-Portfolio mit den folgenden Komponenten ab: Aktien Großbritannien (MSCI UK Total Return Index), Aktien Welt ohne Großbritannien (MSCI AC World ex UK Total Return Index GBP), Anleihen Großbritannien (Bloomberg UK Aggregate Index) und Anleihen Welt ohne Großbritannien (Bloomberg Global Aggregate ex UK Index Hedged GBP). Home Bias für britische Aktien: 25%. Home Bias für britische Anleihen: 35%. Die Home-Bias-Schätzungen stehen in Einklang mit der Anlagestrategie der Vanguard Multi-Asset-Portfolios. Berechnung der Renditen bei Wiederanlage der Erträge. Berechnungen in GBP.