„Ähnlich wie für einzelne Aktien konnten wir auch für Portfolios in den Risiko-/Renditeunterschieden zwischen den ESG-Portfolios und dem Markt keinen beständigen Zusammenhang feststellen.“
Head of ESG research
ESG-Ratings (Umwelt, Soziales und Governance) werden in immer mehr Anlageprodukte integriert, entweder als Teil des Portfolioaufbaus oder im Rahmen der laufenden Management-Prozesse. Doch wie beeinflussen diese Ratings die Wertentwicklung eines Fonds?
Um diese Frage zu beantworten, haben wir den Zusammenhang zwischen Aktienrenditen und den ESG-Ratings von drei bekannten Anbietern untersucht.
Zunächst haben wir die ESG-Ratings von LSEG (früher Refinitiv), MSCI und Sustainalytics auf das Aktienuniversum des Russell 3000 Index übertragen.1 Für die Erstellung ihrer Ratings nutzen die drei Anbieter zum Teil sehr unterschiedliche Informationen: Zwar gehen alle drei von denselben Grundsäulen „E“, „S“ und „G“ aus, die Themen, Fragen und Kategorien innerhalb dieser Säulen können jedoch voneinander abweichen.
Zum Beispiel unterteilt LSEG die E-, S- und G-Säulen in 10 „Kategorien“, die wiederum aus 25 „Themen“ bestehen; MSCI unterscheidet zwischen 10 „Themen“ mit 35 Schwerpunkten („Key Issues“); Sustainalytics schlüsselt ESG in 52 „Themen“ auf.
Die Beziehung zwischen E-, S- und G-Ratings und der Wertentwicklung einzelner Aktien ist sehr uneinheitlich: Einige Ergebnisse unserer Analyse lassen keinen Zusammenhang erkennen, andere deuten auf eine positive oder negative Verbindung zwischen E-, S- und G-Ratings und Renditen hin. Außerdem hatten selbst kleine Veränderungen an den Parametern unserer Analyse, z. B. am Untersuchungszeitraum, oft erhebliche Auswirkungen auf die Ergebnisse.
Für jede der Umwelt-, Sozial- und Governance-Kategorien haben wir neun Portfolios erstellt, die sich jeweils an den Bewertungen der einzelnen Anbieter orientieren. Die Portfolios unterschieden sich darin voneinander, wie restriktiv der ESG-Filter angewendet wird.
In dem Portfolio mit den geringsten Einschränkungen haben wir in jeder Branche und in jedem Jahr lediglich 10% der Unternehmen ausgeschlossen, umgekehrt haben wir in dem besonders restriktiven Portfolio lediglich 10% der Unternehmen aufgenommen; dazwischen bewegen wir uns in 10%-Schritten. Die Aktien, die ins Portfolio aufgenommen werden, werden entsprechend ihrer Marktkapitalisierung per Monatsende gewichtet.
Ähnlich wie für einzelne Aktien konnten wir auch für Portfolios in den Risiko-/Renditeunterschieden zwischen den ESG-Portfolios und dem Markt keinen beständigen Zusammenhang feststellen (siehe Grafik).
Mit unserer Analyse wollten wir herausfinden, ob sich Trends im Risiko-/Renditeprofil erkennen lassen. Die Linien, die die Punkte miteinander verbinden, stellen die verschiedenen Portfolios dar. Im oberen linken Quadranten sind die Renditen höher und die Volatilität niedriger, im Quadranten unten rechts sind die Renditen niedriger und die Volatilität höher. Wie der Verlauf der Linien deutlich macht, ist kein klares Muster erkennbar. Das bedeutet: Aktienauswahl nach ESG-Kriterien führt nicht zu beständigen Portfolioergebnissen.
Zwischen ESG-basierter Aktienauswahl und der Wertentwicklung eines Portfolios besteht keine kohärente Verbindung
Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für künftige Erträge.
Anmerkungen: Die Tabelle zeigt die reinen Differenzen der annualisierten Renditen und Standardabweichungen von Russell-3000-Portfolios, die nur aus Unternehmen bestehen, welche laut den jeweiligen E-, S- und G-Scores der Anbieter LSEG, MSCI und Sustainalytics zu den besten [x]% ihrer Branche gehören. Beobachtungszeitraum: 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2022 (durchgezogene Linien) und 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2022 (gepunktete Linie). Tägliche Renditedaten (Gesamtrendite) in USD.
Quellen: Berechnungen auf Grundlage von Daten von LSEG, MSCI, Sustainalytics und FactSet in USD für die Zeiträume vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2022 und vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 202.
Wir haben jedoch etwas anderes festgestellt: ESG-basierte Aktienauswahl beeinflusst offenbar die Stilfaktor-Exposures2 eines Portfolios und führt tendenziell zu einer Übergewichtung von Large Caps sowie der Faktoren Profitability, Investment und Momentum. Diese Verzerrungen nehmen tendenziell zu, je restriktiver die ESG-Filter angewendet werden.
Bereinigt man die Ergebnisse um diese Stilfaktoren, können nur die ESG-restriktivsten und konzentriertesten Portfolios höhere Mehrrenditen gegenüber dem Markt erzielen.
Welche Schlüsse können Anlegerinnen und Anleger aus den Ergebnissen unserer Analyse ziehen?
Auf Aktienebene ist kein eindeutiger Zusammenhang zwischen E-, S- und G-Ratings und der Entwicklung der Aktienkurse erkennbar; betrachtet man jedoch ganze Portfolios, ergibt sich ein klareres Bild. Unsere Analyse verdeutlicht den Einfluss traditioneller Stilfaktoren auf Portfoliorenditen – ein Einfluss, der tendenziell mit wachsendem ESG-Fokus zunimmt.
Anlegerinnen und Anleger sollten abwägen, ob ein Exposure auf diese Faktoren der langfristigen Wertentwicklung förderlich oder hinderlich ist. Wer Faktor-Risiken reduzieren will, sollte konzentrierte Positionen vermeiden und sein Portfolio diversifizieren. Grundsätzlich sollten Anlegerinnen und Anleger immer im Einzelfall entscheiden, ob ein Fonds in ihr Portfolio passt oder nicht.
1 Daten von LSEG und MSCI stehen ab dem Beginndatum unserer Studie (Januar 2013) zur Verfügung, die Ratings von Sustainalytics dagegen erst ab 2019. Auf Grundlage dieser Daten haben wir die Analyse daher zweimal durchgeführt, einmal anhand einer reduzierten Stichprobengröße ab Januar 2019 unter Verwendung von LSEG-, MSCI- und Sustainalytics-Daten (das Kernmodell) und einmal nur unter Verwendung von LSEG- und MSCI-Daten ab 2013 (erweiterte Stichprobe). Der Querschnitt unserer Kernstichprobe umfasste im Januar 2019 726 Aktien und im Dezember 2022 675 Aktien. Da die Datenerfassung von LSEG und MSCI umfangreicher ist als die von Sustainalytics, stieg der Querschnitt der erweiterten Stichprobe von 699 im Januar 2013 auf 1.917 im Dezember 2022.
2 In unserem Modell haben wir die Stilfaktoren Size, Value, Profitability und Investment nach Fama und French (2015) und Momentum nach Carhart (1993) verwendet.
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Die frühere Wertentwicklung gibt keinen verlässlichen Hinweis auf zukünftige Ergebnisse.
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